26. April 2016
Warten auf eine günstige Gelegenheit auf der China Rundreise
Nachdem meine (inzwischen) Verlobte und ich uns entschieden hatten, zum ersten Mal einen Urlaub außerhalb von Europa zu buchen und zu einer China-Rundreise aufzubrechen, dachte ich mir, dass dies doch eine gute Gelegenheit für einen hoffentlich unvergesslichen Heiratsantrag wäre. Meine Verlobte ahnte von allem natürlich nichts.
Unvergesslich wurde es auch, nur anders, als ich es mir anfangs gedacht hab. Nachdem der Kauf des hoffentlich richtigen Rings eigentlich relativ problemlos ablief, fing der Stress trotzdem schon vor der Reise an. Ich wusste nämlich nicht, ob man den Verlobungsring (natürlich eingepackt und Neuware) beim Zoll deklarieren muss. Meine größte Befürchtung war, dass die Zollbeamten beim Durchleuchten meines Koffers den Ring entdecken würden und mich noch in der Schleuse darum bitten, ihnen den mal zu zeigen und zu erklären, was ich damit denn vorhabe. Mit meiner Freundin nebendran. Das wäre dann natürlich der romantischste Ort für den Antrag gewesen, auf Knien vor den Zollbeamten.
Deshalb hatte ich mich schon vor der Reise durch die deutsche Botschaft in Peking, die chinesische Botschaft in Berlin, das chinesische Konsulat in Frankfurt und das Fremdenverkehrsamt telefoniert in der Hoffnung, irgendjemand könnte mir ne Auskunft geben, ob der Ring angemeldet werden müsste. Leider hatten die Mitarbeiter dort wohl noch nie mit nem geplanten Hochzeitsantrag in China zu tun gehabt. Keiner wusste, was Sache ist. Trotzdem haben mich alle sehr höflich dazu beglückwünscht und mir viel Erfolg gewünscht. Immerhin. Ich dachte mir deshalb, dass ich´s einfach drauf ankommen lasse und den Ring in den Koffer packe. Wird schon schiefgehen. Immerhin war ich so clever, den Ring zusammen mit meinem Reisefön einzupacken, so viel Metall nebeneinander in einer Tasche wird schon nicht auffallen.
Am Tag der Reise war ich deswegen ziemlich nervös, hab aber versucht, mir nix anmerken zu lassen. Tatsächlich hat der Ring wohl niemanden wirklich interessiert. Weder am Flughafen in Deutschland noch in China hat mich irgendjemand drauf angesprochen oder wollte ihn sehen. Bisher jedenfalls. Denn Teil unserer Rundreise waren auch 4 Inlandsflüge quer durch China. Da wäre der Stress dann wieder von vorne losgegangen. Darauf wollte ich´s allerdings gar nicht erst ankommen lassen, sondern meiner Freundin schon am 2. Tag der Reise auf der Chinesischen Mauer den Antrag machen.
Dachte ich jedenfalls. Am Morgen dieses Tages packte ich also den Ring unauffällig aus der Fön-Tasche (den ich bis dahin
nicht benutzt hatte und dessen Benutzung ich auch meiner Freundin ganz unverfänglich verboten hatte). Ich legte das Schmuckkästchen in meine Kamerahülle und das alles dann in eine Tüte, die ich den ganzen Tag keine Sekunde aus den Augen lassen sollte und die meine Freundin keine Sekunde in die Hand bekam.
Angekommen an der Mauer war Volksfeststimmung. Und mindestens genauso viele Leute dort wie auf einem Volksfest. Zu Tausenden kroch eine bunte Menschenschlange die Stufen nach oben. Und wir mittendrin. Das sah erstmal nicht nach nem guten Ort für nen Antrag aus, und romantisch war das schon gar nicht. Dazu kam, dass es ein unglaublich heißer Tag war, die Stufen erbarmungslos hoch und wir schon nach kurzer Zeit schweißgebadet. Allerdings hab ich bemerkt, dass die Menschen weniger werden, je höher man steigt. Nur die Harten können sich verloben, nun gut. Ich trieb also meine Freundin gnadenlos nach oben, unter ihren heftigen Protesten „Ich kann nicht mehr" und „Geh doch alleine". Für romantische Stimmung war also gesorgt. Nur was soll man auf die Frage „Was sollen wir denn da oben?" antworten, wenn man die Katze noch nicht aus dem Sack lassen will?
Abseits des Weges mitten im Hügel war ein wunderschöner, menschenleerer Pavillion. Das wäre doch ein super Ort für nen Antrag, dachte ich mir. „Da führt doch gar kein Weg hin", sagte meine Freundin dazu. Ich wollte mich davon aber nicht entmutigen lassen und suchte für den Rest der Zeit irgendeinen Weg zum Pavillion. Irgendwann wurde mir aber klar, warum es dort so schön menschenleer war. Es führte nämlich wirklich kein Weg dorthin. Man hätte weg von den Stufen auf
den Hügel klettern müssen, was allerdings eher dazu geführt hätte, dass es überhaupt nicht mehr zu nem Antrag gekommen wäre. So ein Sturz ins Tal war keine Option für den Urlaub.
Meine letzte Hoffnung waren die entlang der Mauer verteilten Wachhäuschen. Leider waren die auch nie menschenleer und der Weg ganz nach oben im Turm verschlossen. Außerdem roch es danach, als würden dort regelmäßig Einheimische und Touristen ihren Toilettenstop machen. Nicht sehr romantisch und so ging also auch die letzte Möglichkeit flöten, uns auf der Mauer zu verloben. Als nächstes dachte ich mir, dass ich den Antrag ja beim Besuch der Terrakotta-Armee machen
könnte. Den Flug nach Xi´an überstand ich ohne Zollkontrolle. Immerhin. So in der Art war das gedacht, dass man einem der Krieger den Ring über den Finger zieht und ich meiner Freundin dann so etwas zurufe wie „Schatz schau mal, was trägt denn der Typ da am Finger?!". Wär bestimmt ein Kracher geworden.
Ich hätte mich aber vielleicht im Vorfeld darüber informieren sollen, dass man dort überhaupt nicht zu den Terrakotta-Figuren runterkommt, sondern die Armee nur von oben aus der Ferne besichtigen darf. Bzw. es eines korrupten Aufsehers bedurft hätte, da runter zu kommen. Den gab es da allerdings nicht. Außerdem haben dort wieder tausende Chinesen und Touristen die romantische Stimmung leicht gedämpft. Grad die Chinesen sind ein unheimlich lautes Volk, und in einer Halle
kommt das besonders gut zur Geltung. Also musste ich den Ring wieder einstecken.
Es stand der zweite Inlandsflug nach Chongqing an, wo wir dann ein Schiff zur Jangtse-Kreuzfahrt besteigen sollten. Meine Befürchtungen wegen den Sicherheitschecks dort kennt ihr ja schon. Da unsere Koffer von Hotelbediensteten schon vorher zum Flughafen gebracht und eingecheckt wurden, wussten wir nicht, ob damit alles glatt ging. Als unsere Reisegruppe am Flughafen ankam, meinte unsere Reiseleiterin, dass zwei Pärchen zu den Zollbeamten müssten, um die Koffer zu öffnen. Darin seien unerlaubte Gegenstände gefunden worden. Ich war innerhalb von Sekunden schweißgebadet
und hatte schon angefangen mir zu überlegen, wie ich meine Freundin von der ganzen Sache fern halten könnte. Vielleicht könnt ihr euch denken, wie erleichtert ich war, als es zwei andere Paare aus unserer Gruppe traf. Wegen Haarspray. Was den Rest der Reise Styling-Probleme nach sich zog. Was mir aber in dem Moment relativ egal war, Hauptsache mein Ring lag unentdeckt noch weiter neben dem Fön. Ich hatte mir zu dem Zeitpunkt allerdings geschworen, dass ich den Ring vor dem nächsten Inlandsflug an die Frau gebracht haben wollte.
Die nächste Überlegung war, den Antrag vielleicht auf dem Schiff zu machen. Nachdem wir am Bug stehen würden wie Leo und Kate Winslet in Titanic. Leider war der Bug unzugänglich. Und das Oberdeck unbeleuchtet und mit Kunstrasen ausgelegt. Auch nicht so romantisch. Außerdem waren zu viele Engländer an Bord. Passte also alles wieder nicht so ganz.Allerdings hab ich an der Anlegestelle in Chongqing gemerkt, dass wir beide (sie fast mehr als ich) auf Skylines abfahren. Chongqing hatte schon ne wirklich hübsche, nett beleuchtet, wurden super Fotos. Ich wusste aber, dass es in Shanghai ne noch schönere gibt. Was übrigens auch so war. Die schönste Skyline die ich jemals gesehen hab. Ich war zwar noch nicht in New York, aber wer weiß ob das dort wirklich besser ist. Das war also nun mein Plan, Antrag in Shanghai, endlich, nach 11 Reisetagen.
Nach 3 Tagen Kreuzfahrt auf dem Jangtse stand uns ne sechsstündige Busfahrt, ne Übernachtung in Wuhan und dann nochmal 6 Stunden Schnellzug nach Shanghai bevor. Als wir in Shanghai ankamen waren wir alle fertig. Da aber am nächsten Abend ne Standrundfahrt geplant war, war der erste Abend dort eigentlich der einzige Tag, an dem wir etwas Freizeit gehabt hätten. Wir waren aber so fix und alle, dass das nicht der richtige Moment für sowas wichtiges wie ein Antrag gewesen wäre. Außerdem hat´s geregnet. Also doch der nächste Tag. Als einzige aus unserer Gruppe sagten wir die abendliche Stadtrundfahrt ab. Vielleicht etwas auffällig und ein Wink mit dem Zaunpfahl für meine Freundin. Wenn es so war, hat sie sich aber nix anmerken lassen. Ich hatte es ihr mit nem „romantischen Abend" ohne die Gruppe schmackhaft machen wollen, es hat wohl funktioniert. Im hoteleigenen Sender haben wir erfahren, dass es ne kleine Tapas-Bar an der Promenade gibt. Natürlich hab ich mir die Adresse davon nicht aufgeschrieben. Es ist die Promenade, mit Blick auf die Skyline, dort wo sich abends alles trifft, wie schwer sollte es schon sein, die Bar zu finden, wenn man gemütlich dort entlang schlendert? Wir haben uns also schick gemacht, ich mit dem Ring in der Innentasche meines Jacketts und immer drauf bedacht, meine Freundin nich so in den Arm zu nehmen, dass sie das Schmuckkästchen spürt. Und natürlich darauf, mich nicht von nem Taschendieb ausnehmen zu lassen.
Wir schlendern also die Promenade entlang, das Wetter hält, es ist angenehm warm, alles perfekt. Nur keine Tapas-Bar. An der ganzen Promenade nicht. Wir laufen erst bis zum einen Ende, dann wieder zurück. Immer noch nix. Und das war nicht mal das Schlimmste, es hätte ja auch ne andere Bar/Restaurant getan. Aber da gab es gar nix! Außer nem Sandwich-Laden gab es wirklich null. Ich bekam langsam Panik. Es war 9 Uhr, da entschied ich, dass wir mal die Seitenstraßen
abklappern, ob es dort was gibt, wo man was trinken kann. Mut antrinken, unter anderem. Leider waren die Seitenstraßen dunkel und kaum bevölkert. Uns wurde ein wenig mulmig. An der nächsten Straßenecke gab es nen Stand mitmerk-würdigsten chinesischen Tieren, die dort gegessen werden konnten. Ich dachte mir, wie es sich machen würde, meinen Enkeln später mal zu erzählen, der Opa war mit der Oma vor seinem Antrag Schweinefüße an der Straßenecke essen. Ich wollte nicht riskieren, dass mich meine Enkel später einmal deshalb auslachen. Also haben wir weiter gesucht. Ich weiß nicht ob in China Mittwochs Ruhetag ist, auf jeden Fall war kaum etwas auf. Bzw. nichts wirklich einladend. Meine Freundin erwähnte inzwischen mit stärker werdender Vehemenz, dass wir doch jetzt mit dem Taxi zurück ins Hotel fahren könnten, ihr täten die Füße weh und außerdem verliere sie langsam die Lust. Katastrophe!
Wie soll ich nur ner genervten Freundin erfolgreich nen Antrag machen? Ich bat sie darauf hin, mir zu vertrauen. So langsam fiel bei ihr wohl der Groschen, was ich vor hatte. Inzwischen waren wir in der Nanjing Road angekommen, der größten Einkaufsstraße dort. Da muss es doch was geben, dachte ich. Nun ja, es ist eben ne Einkaufsstraße. Wieviele hübsche Bars kennt ihr in eurer Einkaufsstraße? Nicht viele, oder? So war es auch hier. Das einzige was wir sahen war ein Pizza-Schnellimbiss in nem Einkaufszentrum. Der gegen 22:00 schließt. Es war inzwischen 21:40. Keine Option also, aus vielen Gründen. Wir entschieden uns also, zur Promenade zurück zu kehren und noch einen letzten Versuch zu starten. Ich bekam jetzt richtig Panik. Schließlich war das meine letzte Chance, den Antrag meines Lebens zu machen. Vor dem nächsten Inlandsflug übermorgen. Als wir also die Promenade entlang, nun ja, hetzen, erkenne ich im zweiten Stock (über nem Rolex-Laden) ein Havanna Club Emblem. Das könnte eine Bar sein! Wir gehen näher und ein paar Europäer im Anzug kommen aus dem Gebäude. Ok, es würde also teuer werden, aber das war mir jetzt egal. Wir gehen also rein, ab in den Aufzug, und landen in nem Weinkeller. Im 2. Stock. Nun, nicht gerade das was wir gesucht haben, aber ich hätte zu diesem Zeitpunkt alles akzeptiert. Die nette Dame bittet uns rein. Und sieht gleich, dass wir eigentlich woanders hin wollten. „Bar?" „Sie haben ne Bar?" „Ja, in den Aufzug und bis nach ganz oben fahren".
Das klang zu schön um wahr zu sein. Wir also direkt zurück in den Aufzug und bis ganz nach oben. Die Türen gehen auf und wir standen mitten auf ner wunderschönen Dachterrasse, mitten in Shanghai, mit Blick auf die Skyline. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, alles wird gut. Es wirklich toll dort, wir rückten uns ein paar Stühle zurecht, blickten auf die Skyline und bestellten völlig überteuerte Cocktails. Und ich noch ein völlig überteuertes Bier. Es war mir egal. Ich wusste, ich würde nun doch noch nen tollen Antrag machen, der Abend war gerettet, und ich war überhaupt nicht mehr nervös. Wir haben dort ganz entspannt unsere Drinks geleert, noch ein paar Fotos gemacht, die letzten als unverlobtes Paar. Haben noch ein wenig die Skyline bewundert und als die Bar langsam zu machte, sind wir auch gegangen. Zurück auf die Promenade, inzwischen zum Glück sehr viel menschenleerer. Dann hab ich meine Freundin zu dem Punkt geführt, wo wir am Vortag zum ersten Mal auf die Skyline geblickt haben. Ich glaube, meine Knie haben noch nicht einmal den Boden berührt und ich nicht einmal den ersten Satz meiner akribisch auswendig gelernten Rede ausgesprochen, da flossen bei ihr bereits die Tränen. Was ich dann weiter gesagt habe, hat sie nicht mehr mitbekommen. Nur „Ja" hat sie noch gesagt. Und mich damit zum glücklichsten Mann auf der Welt gemacht.
Dass wir dann auf dem Weg zurück ins Hotel die Chipkarte für unser Zimmer verloren haben, war dann auch egal. Verlobt sieht man wohl einiges entspannter...