Nachdem die Nervosität die letzten Tage zuvor auf sich warten ließ, schlug sie am Samstagmorgen mit voller Kraft zu. Noch bevor der Wecker klingelte, war ich wach und dachte mir: „Heute ist es soweit. Mein Gott, ging das jetzt schnell.“ Während ich so da lag und mich fragte, ob sich noch ein Schlafversuch lohnt, bemerkte ich, dass die Vögel zwitscherten. Ein gutes Zeichen!
Chris und ich hatten in seinem alten Kinderzimmer bei seinen Eltern übernachtet. Kurz vor 8 Uhr standen wir dann auf und tatsächlich: Die Sonne schien! Es war zwar knackig kalt und der Nebel zog noch durch die Gärten, aber der Himmel war wolkenlos und tiefblau. Gott sei Dank.
Also runter zum Frühstück. Nach meinem bewährten Bananenshake mit Haferflocken (bloß keine Experimente am Hochzeitsmorgen ) ging es auch gleich ins Bad und dann ab zum Friseur. Ich war etwas nervös, weil das Probestyling nur mittelmäßig verlaufen war. Aber dennoch: Um 11 Uhr hatte ich den gewünschten Nackenknoten und war höchst zufrieden. Nur für das Make-up bekam die Friseurin keine zweite Chance. Stattdessen hatte ich nach langem hin und her lieber in Profischminke investiert und mich für’s selber machen entschieden.
Nun auf zum Schloss. Brautkleid, Reifrock und die ganzen Accessoires hatte ich schon am Vorabend angeliefert und hingen längst in unserer Suite. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, war ich plötzlich total ruhig und entspannt: Wunderbar, endlich allein! Erstmal habe ich alles ausgepackt und mir ein Gläschen vom mitgebrachten Sekt gegönnt. Ab in die sündhaft schöne Unterwäsche, den Morgenmantel drüber und ab ins Bad. Es war herrlich: Ich hatte alle Zeit der Welt und konnte nach jedem Schritt vor zwei Spiegeln mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen prüfen, ob alles gut aussah. Es ging viel schneller als gedacht und ab 12.45 Uhr war ich fertig. Jetzt war Zeitvertreiben angesagt, denn Mama, Trauzeugin und Fotografin würden erst gegen 13.30 Uhr vorbeikommen. Also schaute ich Lafer beim Kochen zu und hatte sogar noch Zeit, mir an der Rezeption „ein trockenes Brötchen für den nervösen Braut-Magen“ zu bestellen.
Kurze Zeit später waren wir dann vollzählig. Meine Trauzeugin nickte sehr zufrieden mein Braut-Make-up ab (sie war mehr als kritisch, als ich ihr von meinem Do-it-yourself-Vorhaben erzählte), bei meiner Mama kamen mehr als einmal die Emotionen durch. Also gab es noch einen Beruhigungssekt zwischendurch, während die Fotografin alles festhielt und die ersten Detailaufnahmen vom Brautkleid machte. Dann war es soweit: Ab ins Kleid! Meine Mama hatte es vorher nicht sehen können und war völlig entzückt. Und ich überglücklich! Der ganze Aufwand hatte sich geloht: Alles saß wie angegossen, der wollweiße Angora-Bolero und die kleine, weiße Lederhandtasche passten perfekt dazu. Noch schnell Vater und Oma unten in der Bar abholen und ab zur Kirche! Unterwegs plinkte im Auto noch mein Handy – Aha, der Bräutigam ging auf Nummer sicher und verfolgte meine Fahrt via Google Latitude
Chris verbrachte den Vormittag bei seinen Eltern und schaute zwischenzeitlich bei der Floristin vorbei. Der Brautstrauß war wunderbar, mit seinem Reversstecker war er nicht ganz so glücklich. Also hat er beim Fertigmachen spontan darauf verzichtet. Mich dort auch umzuziehen, wäre mir mit seinen Eltern, den zwei Geschwistern, deren Partnern und der nach und nach eintrudelnden Verwandtschaft etwas zu viel gewesen. Außerdem wollte ich bei so vielen nervösen Menschen nicht ein Bad ganz für mich alleine beanspruchen. Und so hatten wir trotz der zusammen verbrachten Nacht wenigstens ein bisschen Tradition, indem er mich erst kurz vor 15 Uhr an der Kirche sah. Ich bin als letzte die 86 Stufen nach oben gegangen und habe Chris dann direkt am Eingang getroffen. Sein Blick sagte mehr als 1000 Worte – denn er mehr als ein Krächzen brachte er nicht zustande. Meine Trauzeugin entschärfte die Situation mit einem „Na, sehe ich da ein Tränchen im Auge?“. Was für ein Moment!
Wir hatten uns für die Variante „gemeinsames Hineingehen nach dem Pfarrer“ entschieden. Ich hatte mir fest vorgenommen, auf unseren Blumenschmuck und die vielen Gäste zu achten, aber das war unmöglich. Ich habe noch Freunde von uns auf den hinteren Reihen bemerkt, die Geschwister von Chris weiter vorne und plötzlich saß ich schon auf meinem Stuhl direkt vorm Altar. Hingen die Sonnenblumen an den Kirchenbänken noch gerade und welches Lied hat die Organistin jetzt eigentlich gespielt? Keine Ahnung. Tja, und dann ging alles ganz schnell: Die Predigt zum Hohelied der Liebe und unseren bisherigen gemeinsamen Weg und schon war es Zeit für unser „Ja, mit Gottes Hilfe“. Vor lauter Aufregung haben wir sogar unseren Kuss vergessen.
Was nicht weiter schlimm war: Ringtausch und den Segen mussten wir ohnehin anschließend für die Fotos nachstellen, während die Gemeinde schon nach draußen auszog. Unser Pfarrer hatte darum gebeten, weil er das Klicken des Kameraauslösers während der Zeremonie vermeiden wollte. Und bis die Aufnahmen im Kasten waren, hatten wir jede Menge Zeit zum Küssen. Dann ging es schon zu „Coldplay – Viva la vida“ hinter den drei Blumenmädchen nach draußen (Gott, waren die süß und so ernsthaft bei der Sache!). Noch zwischen den Spalierstehern hindurch (Was halten die da? Wie genial, das sind PC-Tastaturen!) und schon standen wir vor einem großen, geschmückten Weidenkorb (Oh Mann, Mama hat mir den Wunsch von den Hochzeitstauben erfüllt!) Also haben Chris und ich die ersten beiden Tauben fliegen lassen, und mit Öffnen des Deckels kamen noch zehn weitere aus dem Weidenkorb hinterher. Noch schnell das tolle, wenn auch windige Herbstwetter für ein gemeinsames Gruppenfoto ausgenutzt und dann ging es zu den Parkplätzen, wo Chris' Onkel schon mit seinem Auto auf uns wartete.
Da ich nicht wusste, was dieser überhaupt für ein Auto fährt, stieg ich völlig ahnungslos in den schwarzen, hochglanzpolierten Mercedes ein. Das erste "Wow" schoss mir durch den Kopf, als es uns beim Beschleunigen das erste Mal in die Sitze drückte. Überraschung gelungen: Chris’ Onkel hatte für unseren großen Tag extra eine 500 PS starke S-Klasse ausgeliehen.
Und so fuhr ich dann das zweite Mal an diesem Tag zurück zum Schloss.
Dort angekommen, haben wir unsere Gäste erst mal mit einem Gläschen Sekt bzw. alkoholfreien Cocktails begrüßt und sind dann direkt zum Kaffee- und Kuchenbuffet übergegangen. So hatten wir uns das vorgestellt: ein lockeres Get-together mit Fingerfood, die älteren Gäste gemütlich in den Sesseln, die Jüngeren an den Stehtischen, und jeder konnte sich mit jedem unterhalten. Alle mampften sich glücklich durch unsere offiziellen Hochzeits-Cupcakes in fünf Geschmacksrichtungen (Göttlich: Cappuccino, After Eight, Mango, Waldfrucht und Erdbeere), und auch die selbst gebackenen Muffins (deftig und süß) gingen weg wie warme Semmeln.
Gegen 18 Uhr gab die Fotografin dann das Zeichen zum Brautpaarshooting, weil es langsam zu Dämmern anfing. Um uns ohne ein schlechtes Gewissen aus dem Staub machen zu können, hatten wir für unsere Gäste in dieser Zeit eine Schlossführung organisiert. So zogen wir dann kurz hintereinander in getrennte Richtungen davon. Ich bin sehr gespannt, wie unsere Bilder werden (Zwei Wochen muss ich mich gedulden. Wie soll ich das bloß aushalten?). Auf eins freue ich mich besonders: das Motiv „Lampenschirm“ . Ich sollte mich auf einen der in den Boden eingelassenen Spots stellen, die nachts das Schloss beleuchten. Und so strahle ich im wahrsten Sinne des Wortes von innen heraus…
Anschließend war es dann endlich Zeit für’s Abendessen. So nervös mein Magen am Morgen war, jetzt forderte er seine Rechte ein! Unsere Fotografin verabschiedete sich und wir zogen in den Restaurantbereich ein. Wir hatten uns für eine am Platz servierte Vorspeise entschieden, den Hauptgang gab es als Buffet. Super war, dass vor allem mir wirklich jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde. Noch nicht mal um den Hauptgang brauchte ich mich kümmern – der wurde mir von einer Servicekraft auf den Teller gelegt und zu meinem Platz gebracht (Optimal, denn mindestens eine Hand war immer mit meiner Schleppe beschäftigt). Das Dessert folgte wieder am Platz. In dieser Zeit baute unser DJ im Nachbarraum seine Anlage auf und die ersten Partygäste trafen ein. Und dann ging es auch schon rüber.
Auch der Partyteil war genau, wie wir es uns erhofft hatten. Wir hatten den DJ aus unserer früheren Stammdisco gebucht, und so konnten wir sicher sein, dass wir bei einem Großteil unserer Gäste genau den Geschmack treffen würden. Und so war es auch: Nach unserem Hochzeitstanz zu Jace Everetts „Bad Things“ (official theme aus der „True Blood“ Serie) war die Tanzfläche bald brechend voll. Irgendwann setzte der Regen ein – kein Problem, so blieben uns unsere Gäste wenigstens erhalten. Selbst die Raucher blieben nur so lange draußen wie nötig. Das Brautstrauß-Werfen ist im allgemeinen Trubel völlig untergegangen, aber ganz unglücklich bin ich darüber nicht – so habe ich das gute Stück jetzt wenigstens hier zu Hause stehen
Um 4 Uhr gingen die letzten Gäste nach Hause. Nach einem letzten Absacker mit unserem DJ waren wir eigentlich in bester Schlaflaune – aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! Denn auf dem Weg zu unserer Suite hat uns der Brautvater von der Hochzeit in einem anderen Teil des Schlosses abgefangen und zum Weiterfeiern überredet (Ihr wollt schon ins Bett?! Aber heute ist ein besonderer Tag!). War uns erst etwas unangenehm (Das können wir nicht machen!), aber irgendwann haben wir uns seinem ebenso charmanten wie hartnäckigen Drängen dann gebeugt (Naja, wenn er meint…) War total witzig und schön, noch mit dem anderen Brautpaar auf der Tanzfläche herumzuhüpfen…
Kurz: um 6 Uhr lagen wir dann im Bett